Erinnerungskultur: Mobiler Journalismus in Tirana
"Da habe ich ja Glück gehabt, dass mir am Flughafen in Tirana nicht gegen meinen Willen der Bart rasiert wurde und ich meine Jeans abgeben musste!"
Arber Bajrami ist erstaunt, was die Schülerinnen und Schüler des Sami-Frasheri-Gymnasiums schon alles über die Diktatur des Enver Hoxha in ihrem Land herausbekommen haben. Der Redakteur bei der Deutschen Welle ist aus Deutschland angereist, um in einem zweitägigen Workshop zum Thema "Mobile Journalism" den Schülerinnen und Schülern wichtige Techniken für Reportagen mit dem Smartphone und Interviews mit Zeitzeugen zu vermitteln.
Die Videogruppe nimmt am Projektwettbewerb "Erinnern für die Gegenwart" teil, den Bundesaußenminister Heiko Maas für Deutsche Auslandsschulen und Deutsch-Profil-Schulen ins Leben gerufen hat.
Welche Geschichte hat unsere Schule? Wie hat sie sich in unterschiedlichen politischen Kontexten verhalten? Was lässt sich aus der Vergangenheit für heute lernen? "Das sind unglaublich spannende Fragen"
, berichtet Erisa aus der Klasse 11.2.
So viel steht schon mal fest: Die Schulgeschichte des Sami-Frasheri-Gymnasiums war im Zeichen der Diktatur nicht ganz einfach. "Die damaligen Schülerinnen und Schüler mussten in den Ferien arbeiten, sogar im Straßenbau, ein Wahnsinn!"
, Erisa ist fassungslos.
Five Shots heißt: Fünf Einstellungen
Nun muss aber erst einmal gelernt werden, wie man an die teilweise schwierigen Interviews mit Zeitzeugen herangeht. Alion aus der Klasse 11.1: "Five Shots bedeutet: Fünf Einstellungen. Wann immer und wo immer wir drehen, sollen wir versuchen, von einer Szene mindestens fünf Einstellungen zu bekommen"
. Diese Regel hilft den Schülern gemeinsam mit den fünf journalistischen W-Fragen "Wer", "Was", "Wann", "Wo", "Warum" immer genug Material für den Schnitt aufzunehmen.
Die beiden Referenten, Arber Bajrami von der Deutschen Welle und der Drehbuchautor Alexander Pozza, der das Projekt am Sami-Frasheri-Gymnasium leitet, versuchen in ihrem Workshop alles so praktisch wie möglich zu unterrichten. "Ihr filmt zum Beispiel einen Basketballer? Dann zeigt erstmal die Turnhalle, in der der Spieler ist. (Halbtotale). Dann das Gesicht des Spielers. (Nah oder Groß). Die Hände. (Detail). Den Spieler beim Spielen (Halbnahe). Nicht zu vergessen eine freie Einstellung: Zum Beispiel ein Blick über die Schulter des Spielers, wenn er die Pläne des Trainers studiert."
"Alles nicht so ganz einfach"
, stöhnt Eden aus der 12.2. "Bei meinem Filmversuch ist die eine Gesichtshälfte ganz im Schatten"
. Doch die beiden Leiter finden auch lobende Wort: "Prima, wie die Schülerinnen und Schüler in so kurzer Zeit ihre Interviewtechnik verbessert haben. Die sind auch richtig kreativ, ich freue mich schon darauf, wenn wir drehen und bin gespannt, welche Zeitzeugen sie finden"
, sagt Alexander Pozza.
Viele Unterstützer
Mit von der Partie ist auch die Kulturweitfreiwillige Jana Zeller, die das Projekt am Sami-Frasheri-Gymnasium von Anfang an begleitet hat. "Es macht Spaß Teil von einem weltweiten Projekt zu sein"
. Insgesamt 58 Projekte Deutscher Auslandsschulen auf der ganzen Welt werden im Schuljahr 2019/2020 gefördert.
Die Deutsche Welle begleitet die Projekte der deutschen Schulen und deutschen Abteilungen auf dem Balkan und sendet auch eine Reportage über das Projekt am Sami-Frasheri-Gymnasium. "Interessant zu sehen, wie die Redakteure der Deutschen Welle professionell Interviews führen. Mich haben sie auch interviewt, ganz schön spannend"
, findet Erisa.
Und da nach Projektabschluss die besten drei Projekte zur Preisverleihung nach Berlin eingeladen werden, singt die vergnügte Gruppe im Chor: "Berlin, Berlin, wir wollen nach Berlin"
.
Quelle: Jutta Sieberz-Pozza, projektverantwortliche Lehrkraft und Fachschaftsberaterin für Deutsch als Fremdsprache in Tirana
Das Projekt wird gefördert im Rahmen des Wettbewerbs "Erinnern für die Gegenwart". Deutsche Auslandsschulen und Deutsch-Profil-Schulen setzen sich mit ihrer Schulgeschichte und dem historischen Umfeld der Schule auseinander. Wie hat man sich verhalten gegenüber Kolonialismus, Nationalsozialismus, Diktatur oder Menschenfeindlichkeit? Ziel ist, Erinnerungskultur, Toleranz und Demokratieverständnis zu stärken und auch auf heutige Formen der Diskriminierung aufmerksam zu machen. Schülerinnen und Schüler sind an der Projektentwicklung zentral beteiligt.
"Erinnern für die Gegenwart" ist eine Initiative von Bundesaußenminister Heiko Maas und wird umgesetzt von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung und der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ).
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Stand 26.02.2020