Erinnerungskultur: Eine Zeitreise an der DSB Alexandria
Am besten wir fangen erst einmal bei unseren Geschwistern, Müttern und Großmüttern an - das war der Grundtenor der Projektgruppe. Interviewfragen wurden verfasst und ein Aufruf in den sozialen Netzwerken gestartet. Die Rückmeldung war enorm. Ehemalige Schülerinnen aus Österreich und Italien haben uns geschrieben und von ihrer Schulzeit berichtet. Im Austausch wurde schnell klar, dass in früheren Jahren die gleichen Probleme herrschten wie heute. Klagen über die Schuluniform oder das zu wenig "Deutschsprechen" in den Pausen, um nur einige zu nennen. An dieser Stelle nochmal ein herzliches Dankeschön an alle ehemaligen DSBA-Absolventinnen, die uns ihre Bilder und "Erinnerungen" zur Verfügung gestellt haben.
Bei unseren weiteren Recherchen in der Schule sind wir immer wieder auf den gleichen Hinweis gestoßen: "Schaut doch mal in das ehemalige Arbeitszimmer von Sr. Carola."
Und das ließen wir uns natürlich nicht zweimal sagen. Was wir da entdeckten machte uns sprachlos. Ein Protokollbuch über die Lehrerkonferenzen (1929 - 1955), ein Schülerverzeichnis (ab 1884) oder eine Schulchronik, die bis ins Jahr 1973 reicht. Den Schwestern der DSB Alexandria ist es zu verdanken, dass all diese Dokumente von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Originaldokumente aus dem Gründungsjahr 1884 fielen uns in die Hände, abgeheftet und gut aufbewahrt in einer Mappe.
Die akribische Arbeit von Sr. Carola ist unschwer zu erkennen, spielte sie doch eine tragende Rolle in der DSBA-Schulgeschichte. Sie war die letzte geistliche Schulleiterin (1969 - 1999) und ist im hohen Alter von 94 Jahren im Jahr 2014 verstorben. In den Schubläden sind wir auf Bilder gestoßen, die bis in das Jahr 1911 zurückreichen. Mayra (10. Klasse), ein Projektgruppenmitglied, entdeckte sogar ein Foto von ihrer Mutter und ihrer damaligen Klasse.
"Wie, Helmut Schmidt hat unsere Schule auch besucht?"
- fragte Farah unglaublich, als sie ein Briefkuvert mit dem Vermerk "Besuch Helmut Schmidt Mai 1985" entdeckte. Auf Nachfrage bei einer ehemaligen Lehrerin, wurde uns mitgeteilt, dass wegen dieses Besuches sogar die Schulstraße neu asphaltiert wurde.
Auf Anfrage beim Kultur- und Bildungsreferat der Deutschen Botschaft Kairo, ob es nicht noch Briefe oder Dokumente über die DSB Alexandria im Politischen Archiv des Auswärtigen Amts gebe, wurden uns freundlicherweise Dokumente zugesendet, u.a. aus dem Jahr 1934. Aus diesem Brief geht klar und deutlich hervor, dass auf Anraten der deutschen Reichsleitung (Abteilung Auslands-Organisation) die Schulleiterin Schwester Cassiana durch eine reichsdeutsche Schwester, Schwester Luitgardis, ersetzt werden musste.
All diese Originalberichte und Dokumente der letzten 135 Jahre sowie Interviews mit ehemaligen Schülern, Lehrern und anderen wichtigen Zeitzeugen dienen uns als Grundlage für unser digitales Buch. Durch die Corona-Krise und der damit verbundenen Schulschließung wurde unserer Arbeit leider etwas unterbrochen, trotzdem können einige Aufgaben auch sehr gut von zu Hause erledigt werden. Es geht also weiter...
Quelle: Christina Schatz, projektleitende Lehrerin an der Deutschen Schule der Borromäerinnen Alexandria in Ägypten
Das Projekt wird gefördert im Rahmen des Wettbewerbs "Erinnern für die Gegenwart". Deutsche Auslandsschulen und Deutsch-Profil-Schulen setzen sich mit ihrer Schulgeschichte und dem historischen Umfeld der Schule auseinander. Wie hat man sich verhalten gegenüber Kolonialismus, Nationalsozialismus, Diktatur oder Menschenfeindlichkeit? Ziel ist, Erinnerungskultur, Toleranz und Demokratieverständnis zu stärken und auch auf heutige Formen der Diskriminierung aufmerksam zu machen. Schülerinnen und Schüler sind an der Projektentwicklung zentral beteiligt.
"Erinnern für die Gegenwart" ist eine Initiative von Bundesaußenminister Heiko Maas und wird umgesetzt von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung und der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ).
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Stand 20.05.2020