Mehr Lerngewinn durch Digitalität?

"Forschung trifft Praxis": Unter diesem Motto kamen der Wissenschaftliche Beirat und die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) zu ihrer Jahrestagung am 3. Mai in Bonn zusammen. Im Fokus standen neue Impulse, insbesondere zu den Themen Deutsch als Fremdsprache und Digitalität.

Im Vergleich mit anderen internationalen Schulen können sich die 137 Deutschen Auslandsschulen weltweit vor allem mit ihrem Alleinstellungsmerkmal "Deutsch als Fremdsprache" profilieren. "Wie können wir dabei die Schülerinnen und Schüler in zunehmend digitalisierten Schulen zu einem größeren Lerngewinn führen?", fragte Heike Toledo, Leiterin der ZfA, in ihrer Begrüßung und umriss damit die wichtigsten Tagungsthemen.

Bevor die Beiratsmitglieder von insgesamt 13 Hochschulen in Deutschland und der Schweiz zusammen mit den Pädagoginnen und Pädagogen der ZfA und Gästen aus dem Auswärtigen Amt, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in einen fachlichen Austausch traten, stellten ZfA-Beschäftige aktuelle Aufgabenschwerpunkte und Herausforderungen der Auslandsschularbeit vor. Dazu gehören momentan auch, hochqualifizierte Lehrkräfte aus der Ukraine zu unterstützen und das Programm zum Deutschen Sprachdiplom (DSD) der Kultusministerkonferenz und das Lehrerentsendeprogramm in Russland als zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit aufrechtzuerhalten. Auch den von harten Lockdown-Maßnahmen betroffenen aus Deutschland vermittelten Lehrerinnen und Lehrern in China gilt besondere Aufmerksamkeit.

Starker Innovationsdruck entstanden

Insgesamt konnte im Auslandsschulwesen nach über zwei Jahren Pandemie festgestellt werden, dass Teile der Schülerschaft auch durch den Distanzunterricht inzwischen eigenständiger, schneller und intensiver lernen, andere hätten jedoch stark unter den Einschränkungen gelitten, die bekannte Schulstruktur habe gefehlt. Insgesamt sei dadurch ein starker Innovationsdruck im Bereich des digitalen Unterrichts, in der Lehrkräftefortbildung wie auch in der Schulaufsicht entstanden. Um pandemiebedingte Einbußen in der Kommunikationspraxis aufzufangen, initiierte die ZfA im letzten Jahr das „Sprach-Tandem-Deutsch“, bei dem Lehramtsstudierende aus Deutschland in Online-Lerneinheiten zusätzlich zum Unterricht dazu beitragen, die Sprachkompetenz von Dritt- bis Sechstklässlern in Deutsch zu steigern. Durch gezielte finanzielle Unterstützung konnte die ZfA verhindern, dass einige Deutsche Auslandsschulen (DAS) pandemiebedingt hätten schließen müssen.

Unterstützung durch die Wissenschaft

Für die Beiratsvorsitzende Prof. Dr. Bettina Amrhein von der Universität Bielefeld stehen neben der fachwissenschaftlichen Begleitung vor allem intensivere und konkretere Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit der ZfA im Fokus. Wie kann der Beirat bei den neuen Herausforderungen wirksam und passgenau unterstützen? Der Beirat sieht seine Fachexpertise dienstleistungsorientiert: "Ich möchte Sinn stiften", wie es Prof. Dr. Stephan Huber von der Pädagogischen Hochschule Zug formulierte. Heike Toledo sieht die Unterstützung durch die Wissenschaft vor allem bei der bevorstehenden Digitalisierung der weltweiten Prüfungen zum DSD, bei der Erforschung, was die Auslandsschularbeit bewirken kann und bei der Frage, wie sich die Schulen zukünftig entwickeln. 

Projekt "Digitale Modellschule"

In zwei Workshops diskutierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit ZfA und Gästen über "Deutsch als Fremdsprache" und Digitalität. Thomas Harth, ZfA-Regionalbeauftragter für die Region MOE, stellte das Projekt "Digitale Modellschule" vor, das die ZfA gemeinsam mit der Unternehmensberatung McKinsey an der Deutschen Schule Prag von November 2021 bis März 2022 durchführte. Es kann zukünftig allen DAS als Blaupause für die digitale Transformation dienen, ein eigenes individuelles Digitalisierungskonzept zu entwickeln. Im Zentrum steht dabei der personalisierte Lernort. Die Projektergebnisse werden allen DAS kurzfristig mitgeteilt.

Prof. Dr. Amrhein betonte, dass das personalisierte Lernen in sozialer Eingebundenheit erfolgen müsse, damit es nicht zu einer Vereinzelung der Lernprozesse komme. Für Prof. Dr. Huber müsse Schule inklusiv der Digitalität gestaltet werden. Guter Unterricht in der Digitalität müsse das Ziel sein. Für Dr. Marcus Schawe, ZfA-Regionalbeauftragter für die Region Afrika, ist dabei ein internes Controlling mit einer regelmäßigen Evaluierung zur eigenen Schulentwicklung wichtig. Dabei müssten die Ortslehrkräfte, die an den DAS für Kontinuität sorgen, eingebunden werden. Prof. Dr. Amrhein ergänzte, dass auch möglichen Digitalisierungsängsten der Lehrkräfte ein emotional sicherer Raum gegeben werden müsse.

Auswirkungen der Digitalisierung

Auch im Workshop zu Deutsch als Fremdsprache wurde über die Auswirkungen der Digitalisierung gesprochen. Verliert der Fremdsprachenunterricht durch die Digitalen Entwicklungen an Wert? Wichtig sei die Authentizität der Begegnungen von Lehrenden und Lernenden, durch die technischen Möglichkeiten würden sich die Rollen der Lehrkräfte verändern. Die Expertinnen und Experten wiesen darauf hin, dass die erweiterten technischen Gegebenheiten einer Einbindung in den didaktischen Diskus bedürfen und keinen "Selbstzweck" darstellen. Der Blick wurde auch auf spannende neue Forschungsfelder gelenkt, so zum Beispiel das "Zentrum für Didaktische Computerspielforschung" an der PH Freiburg.

"Der Austausch mit Ihnen war für uns eine Bereicherung, auch gemeinsam visionär denken zu können", betonte die Leiterin der ZfA zum Ende der Tagung.

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Stand 01.07.2022