Von São Paulo nach Nürnberg

An der Berufsschule der Deutschen Schule Colégio Humboldt in São Paulo können junge Menschen eine duale Berufsausbildung mit der Zusatzqualifikation Fachhochschulreife kombinieren. Auch für Caio, Carina, Lucas und Thiago war sie der Schlüssel zum Studium in Deutschland.

Die Berufsschule der Deutschen Schule Colégio Humboldt in São Paulo ist eine von insgesamt fünf deutschen Auslandsberufsschulen, an denen die Fachhochschulreife erworben werden kann. Neben dem Abitur ist dies ein weiterer Weg zum Erhalt einer Hochschulzugangsberechtigung in Deutschland. Pro Jahrgang erreichen etwa 15 Prozent der Schülerinnen und Schüler des berufsbildenden Zweiges (BBZ) das begehrte Zertifikat der Fachhochschulreife. Auch für Caio Vieira da Silva, Carina Cipriano Nascimento, Lucas Kirklewski Herculano Baptista und Thiago Dantas Rossetto war sie der Schlüssel zum Studium in Deutschland.

Studium in Nürnberg

Alle vier sind nach Nürnberg gegangen, um dort an der Technischen Universität zu studieren:

  • Caio, 21 Jahre alt, lernt seit sieben Jahren Deutsch. Er hat eine Ausbildung zum Industriekaufmann absolviert und im August 2019 mit dem Maschinenbaustudium begonnen.

  • Carina, 22, die seit 17 Jahren Deutsch lernt, ist Kauffrau für Spedition und Logistikdienstleistungen und hat im Oktober 2018 mit ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre (Fachrichtung Internationale BWL) begonnen.

  • Lucas, 22, ausgebildeter Bürokaufmann, lernt seit acht Jahren Deutsch und studiert seit September 2017 Internationale BWL.

  • Thiago, 22, der seit sieben Jahren Deutsch lernt, studiert nach seiner Ausbildung zum Industriekaufmann seit September 2018 International Business and Technology.

Ihre Schulausbildungen sind unterschiedlich: Caio und Lucas haben an einer öffentlichen Schule, einer der Sprachzentren des Bundeslandes São Paulo, Deutsch gelernt und zu Beginn nie gedacht, dass sie einmal in Deutschland leben und studieren würden. Carina und Thiago waren schon von klein auf an Deutschen Schulen.

Aller Anfang ist schwer

Während Carina schon öfter in Deutschland gewesen war, betraten Caio, Lucas und Thiago für ihr Studium ziemliches Neuland. Caio hatte während einer zweiwöchigen Bildungs- und Studienreise nach Deutschland im Rahmen eines vom Verein für deutsche Kulturbeziehungen im Ausland (VDA) finanzierten Austauschs seine Liebe zu Nürnberg entdeckt. Lucas wollte nach einem vierwöchigen Betriebspraktikum in Deutschland unbedingt wieder zurückkehren. Thiago war noch nie in Deutschland gewesen, doch war es schon immer sein Traum, dort zu studieren. Trotz unterschiedlicher Vorerfahrungen fiel es allen gleich schwer, Brasilien zu verlassen. Und am Anfang erlitten alle vier einen Kulturschock. Die brasilianischen Studierenden berichten, dass sie vor allem das für Brasilianer eher distanzierte Verhalten und eine zurückhaltende Hilfsbereitschaft der Deutschen überraschend fanden. Sie fühlten sich im deutschen Bürokratiedschungel allein gelassen und waren froh, bereits ein gutes Deutschniveau erreicht zu haben.

Gut vorbereitet durch die Auslandsschule

Alle vier Auslandsschulabsolventen haben im Rahmen ihrer Ausbildung an der Berufsschule das Deutsche Sprachdiplom DSD II- bzw. das PWD-Zertifikat (Prüfung Wirtschaftsdeutsch International) des Deutschen Industrie- und Handelskammertages erworben. Doch nicht nur die erlangten Sprachkenntnisse halfen ihnen dabei, sich in Deutschland zurechtzufinden. Thiago nennt zudem "deutsche Tugenden wie Disziplin", die er an der Berufsschule gelernt habe und die ihm bis heute sehr im Studium helfen. Auch Lucas findet, dass er an seiner Berufsschule neben den theoretischen Inhalten vor allem auch wichtige Arbeitstechniken erlernt habe und spricht rückblickend von der "besten Entscheidung seines Lebens". Carina brachte die Ausbildung vor allem am Anfang ihres Studiums viele Vorteile, da ihr einige der Inhalte schon bekannt waren.

Leben in Deutschland schätzen gelernt

Besonders positiv an Deutschland heben die vier die Infrastruktur, die Lebensqualität und das internationale Umfeld hervor. "Alles funktioniert und ist sehr effizient", sagt Caio beeindruckt. Thiago imponiert vor allem "die Gerechtigkeit" innerhalb der deutschen Gesellschaft, die er aus Brasilien so nicht kenne. Lucas liebt die Freiheit, "um drei Uhr nachts alleine sorglos nach Hause zu gehen", was in Brasilien undenkbar sei. Sehr positiv sehen die vier Studierenden auch die Arbeitsmöglichkeiten, die sie nutzen, um sich ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Carina arbeitet als Werksstudentin in einer Personalabteilung, wobei ihre kaufmännische Ausbildung ihr sehr nützt. Zusätzlich engagiert sie sich im International Office der Hochschule. Dieses und weitere Ehrenämter haben ihr sogar ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) eingebracht. Thiago arbeitet als Tutor für Mathematik und Lucas verdient sich etwas zu seinem Lebensunterhalt dazu, indem er im Stadion des Fußballzweitligisten 1. FC Nürnberg jobbt.

In Nürnberg wie Zuhause

Nach den anfänglichen Startschwierigkeiten fällt das Zwischenfazit bei Caio, Carina, Lucas und Thiago sehr positiv aus. "Wir würden es wieder machen", lautet der einhellige Tenor der vier Berufsschulabsolventen. Carina hat inzwischen sogar auf einem "Field Trip" nach Indien die deutsche Kultur vertreten. "Eine ganz besondere Erfahrung", sagt sie. Und Lucas kann sich derzeit nicht einmal mehr vorstellen, nach Brasilien zurückzukehren: "Ich fühle mich in Nürnberg wie Zuhause."

Quelle: Heiko Weinhappl, Deutscher Berufsschulleiter BBZ São Paulo

Das Colégio Humboldt in Sao Paulo gehört zu den 140 Deutschen Auslandsschulen, die von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) des Bundesverwaltungsamtes im Auftrag des Auswärtigen Amts und unter Mitwirkung der Länder betreut werden. Die ZfA fördert die Schulen in personeller, finanzieller und pädagogischer Hinsicht und begleitet ihre qualitätsorientierte Schulentwicklung. Sie berät bei der Gründung neuer Schulen mit deutschem Profil, beim Aufbau des Deutschunterrichts in lokalen Schulen und bei der Einführung deutscher Schulziele nach internationalen Standards. An rund zehn berufsbildenden Zentren im Ausland wird die duale Ausbildung in kaufmännischen und gewerblich-technischen Berufen angeboten.

Seitenfunktionen

Stand 22.05.2020