Duale Berufsbildungszentren in Chile und Argentinien lernen voneinander und gemeinsam

Was bedeutet es, in einer interkulturellen Umgebung zu arbeiten? Welche Karrieremöglichkeiten bietet mir die duale Ausbildung? Wie gehe ich mit einem Kulturschock bei einem Job im Ausland um? Diesen und vielen weiteren zentralen Fragen gingen die Auszubildenden vom Instituto Superior Aleman de comercio (INSALCO) in Santiago de Chile und dem Berufsbildungszentrum (BBZ) Ballester aus Buenos Aires an einem gemeinsamen Austauschtag mit den Lehrkräften der beiden dualen Ausbildungsinstitute nach.

Nachdem das INSALCO im August einen virtuellen Projekttag zum Thema Geschäftsgründung organisiert hatte, revanchierten sich die Argentinier am 23. September mit einer gelungenen Info- und Diskussionsveranstaltung per Zoom, der knapp 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus beiden Ländern beiwohnten.

Der Blick über Landesgrenzen zählt zum täglich Brot der Auszubildenden beider Institute. Schließlich arbeiten sie in internationalen Unternehmen, in denen häufig auch die deutsche Kultur eine prägende Rolle spielt. Doch um sich den Wert kultureller Unterschiede bewusst zu machen, reicht bereits der jeweilige Blick über die Anden. Was gilt als typisch argentinisch, was als chilenisch? Welche typischen Klischees jenseits von Mate-Tee und Pisco habe ich im Kopf, wenn ich an das Nachbarland denke?

In der offenen Diskussionsrunde wurde schnell klar, wie fest verankert Vorurteile in unserer Denkweise sind und welche Hindernisse sie auch im beruflichen Alltag darstellen können. Moderatorin Mora Palú, 19-jährige Industriekauffrau in Ausbildung am BBZ in Buenos Aires, leitete die Gesprächsrunde mit Präzision ("Was ist das Bereichernde an kulturellem Austausch?") und berichtete von ihrem ganz persönlichen Kulturschockmoment, als ihr Arbeitgeber Monsanto von der deutschen Bayer AG übernommen wurde.

Die Schülerinnen und Schüler aus Argentinien und Chile brachten sich über Wortmeldungen, Chat und die Plattform menti.com in die Diskussionen mit ein. Einige von ihnen merkten an, dass kulturelle Unterschiede bei weitem nicht nur zwischen den Nationen bestünden. Auch ein Generationenkonflikt kann in beruflichen Situationen herausfordernd sein, genauso wie die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau - zwei Konfliktfelder, die sich sowohl in der hierarchischen Struktur eines Unternehmens bemerkbar machen können, als auch bei der Arbeit mit den Kolleginnen und Kollegen des Teams.

Als Mora dann ihre ehemaligen und aktuellen Lehrkräfte befragte, die als Deutsche in Südamerika ihren Beruf ausüben, war die Meinung eindeutig: "Die Erfahrung in anderen Kulturen zu arbeiten, kann man nicht ersetzen." Natürlich gäbe es Unterschiede hinsichtlich der Diszipliniertheit und professionellen Distanz am Arbeitsplatz, demgegenüber stehe die zwischenmenschliche Herzlichkeit und Nähe, die wohl in deutschen Büros manchmal fehlt. Sicherlich können hier beide Kulturen jede Menge voneinander lernen und genau darum ging es auch an diesem "Día del Intercambio" (Tag des Austauschs).

Leben und arbeiten in Deutschland

Und so stand die zweite Veranstaltung des Tages ganz im Zeichen des Lebens und Arbeitens in Deutschland. Das BBZ hatte dafür Nicolai Steiner von der iba, der größten deutschen staatlich anerkannten Berufsakademie eingeladen. Der Project Manager im International Office der iba gab den chilenischen und argentinischen Auszubildenden einen fundierten Überblick über die Möglichkeiten eines dualen Bachelorstudiums in technischen und pädagogischen Disziplinen.

Das Prinzip der Universität, die deutschlandweit elf Standorte besitzt, dürfte ihnen dabei bekannt vorgekommen sein. Im Rahmen des sogenannten "Modells der geteilten Woche", wird an zwei Tagen pro Woche studiert und drei Tage im Betrieb gearbeitet. Eine enge Verzahnung von Theorie und Praxis sei somit garantiert, ein Konzept, auf das auch das INSALCO seit knapp 40 Jahren erfolgreich baut. Wochenlangen Blockunterricht wie an anderen deutschen Berufsschulen gibt es an der iba nicht.

Ein weiterer Pluspunkt der Ausbildung sei die Vergütung durch die Ausbildungsfirmen, welche den Studierenden ein kostenloses Bachelor-Studium ermöglicht. Es bleibe sogar noch ein kleines Taschengeld übrig, so Steiner. Auch dieses Prinzip ist am INSALCO bestens bekannt. Generell gilt, dass mit einem Schulabschluss, der in Chile oder Argentinien zum Studieren befähigt, auch ein Studium an der iba angetreten werden kann.

So viel zur Theorie, doch auch einen lehrreichen Einblick in die Praxis sollte es geben. Carolina Biagiotti, iba-Studentin am Standort Nürnberg und ehemalige Schülerin des BBZ, berichtete anschaulich von ihrem Arbeits- und Studienalltag im Bereich Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Personalmanagement. "Die Dinge schon ein Jahr im Voraus planen, ist hier normal", sagte sie und zeigte augenzwinkernd Sympathie für die deutsche Gründlichkeit.

"Und sollte dieser bereichernde Día del Intercambio nicht bereits vor einem Jahr geplant worden sein - die perfekte Organisation und Strukturierung der Veranstaltung hätten es vermuten lassen. Wir bedanken uns beim Instituto Ballester für einen rundum gelungenen Austausch und freuen uns bereits auf die nächste Kooperation!" so das Fazit des INSALCO.

Quelle: Instituto Superior Aleman de comercio (INSALCO)

Die Berufsbildungszentren INSALCO in Santiago de Chile und Ballester in Buenos Aires gehören zu den rund 140 Deutschen Auslandsschulen, die von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) des Bundesamtes für Auswärtige Angelegenheiten im Auftrag des Auswärtigen Amts offiziell betreut werden. Die ZfA fördert die Schulen in personeller, finanzieller und pädagogischer Hinsicht und begleitet ihre qualitätsorientierte Schulentwicklung. Sie berät bei der Gründung neuer Schulen mit deutschem Profil, beim Aufbau des Deutschunterrichts in lokalen Schulen und bei der Einführung deutscher Schulziele nach internationalen Standards. An rund zehn berufsbildenden Zentren im Ausland wird die duale Ausbildung in kaufmännischen und gewerblich-technischen Berufen angeboten.

 

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Stand 06.01.2022