"Rom zu verlassen? Das ist noch jedem schwergefallen"

Rom, der Sehnsuchtsort vieler, und mein Einsatzort als Auslandsdienstlehrkraft in den Fächern Englisch, Geschichte und Gemeinschaftskunde. Es klingt wie ein Traum. Und das war es auch irgendwie.

Aber der Reihe nach: So wie es sicherlich jeder Auslandsdienstlehrkraft geht, die Deutschland verlässt - ob ins ferne Asien oder nach Europa - begleitet einen die Unsicherheit vor dem endgültigen Schritt nach "draußen".

Ich kannte die Stadt vorher nicht, aber sie sollte mich, so wie es sicherlich jedem geht, sofort in den Bann ziehen. Selbiges gilt auch für das Schulgebäude: modern, im Grünen, ohne dabei zu weit vom Stadtzentrum entfernt zu sein. Die Deutsche Schule in Rom ist eine prestigereiche Einrichtung, die diverse Berühmtheiten des öffentlichen Lebens Absolventin bzw. Absolvent nennen durfte. Sie ist eine "Begegnungsschule", in der die Sprachen Deutsch und Italienisch nahezu gleichwertig behandelt werden und dem Begegnen der beiden Kulturen im Raum der Schule höchste Bedeutung zukommt. Die Schülerinnen und Schüler, unabhängig ihrer Nationalität, werden in deutsch- und italienischsprachigen Fächern unterrichtet, legen ein deutsches und italienisches Abitur ab und parlieren in einer "Pausenhofsprache", die in Teilen eine Mischung aus deutschen und italienischen Phrasen darstellt - so spricht die Schule in gewisser Weise ihre eigene Sprache.

Dadurch, dass viele die Deutsche Schule Rom bereits seit dem deutschsprachigen Kindergarten besuchen, ist das Deutschniveau gut. Die Schülerinnen und Schüler lieben es zu sprechen, ob in Italienisch, Deutsch, Englisch oder Französisch - die fehlende Scheu vor dem freien Reden in der Nicht-Muttersprache ist beeindruckend.

Die Schulleitung half mir sehr dabei, mich schnell zu integrieren. Für Alleinstehende und Paare mit Kindern gibt es unterschiedliche Angebote, die das schnelle Einfinden ermöglichen. Dazu gehören Patenprogramme, Schulsport, hin und wieder ein gemeinsamer "Aperitivo" am Abend. Was ich von Paaren mit Kindern hörte, war, dass die Anfangszeit für die Sprösslinge etwas schwierig bzw. herausfordernd war - neues Land, neue Stadt, neue Schule, neue Sprache  -, doch die meisten sich schnell wohl fühlten.

Sonderaufgaben als ADLK

Meine erste Sonderaufgabe, zu denen als Auslandsdienstlehrkraft im Laufe der Zeit einige zählen sollten, war die Umsetzung des ersten fremdsprachigen Sachfachs an der Schule als komplett neues Fach ("Wirtschaft auf Englisch") und die Verbesserung der Studien- und Berufsorientierung als Leiter der Studien- und Berufsberatung. Darunter fiel zum Beispiel die Durchführung von Schülerpraktika in einem Land, das Praktika allenfalls von Hochschulabsolventen kennt. Was mir schnell klar wurde: die Arbeit an Auslandsschulen zeichnet eine hohe Geschwindigkeit in der Umsetzung von Prozessen aus. Ohne große Forderungen nach Korrekturen oder Anpassungen konnte das neue Fach nach einem Jahr umgesetzt und nach dem ersten Durchlauf bereits ein fertiges Curriculum bei der Kultusministerkonferenz (KMK) vorgelegt und als Grundlage für Abituraufgaben umgesetzt werden. Reisen an deutsche Hochschulen wurden schnell ins Fahrtenkonzept integriert, genauso wie weitere Bausteine der Studien- und Berufsorientierung. Letztlich hat mir die Arbeit als Auslandsdienstlehrkraft in Rom Dinge ermöglicht, die ich in Deutschland schwer in so kurzer Zeit hätte ausführen können.

Die Arbeit am Standort Rom ermöglichte die Einbindung diverser außerschulischer Partner, die gerne an die Schule kamen und zu Diskussionen und Präsentationen einluden, vermutlich leichter als an anderen Standorten. Bei der Hochschulmesse in der "Ewigen Stadt" war es oft ein Leichtes auch die "Schwergewichte" des deutschen Hochschulwesens für einen kurzen Besuch in Rom zu gewinnen; der Stolz der "Ehemaligen" der Einrichtung führte dazu, dass sie oft und gerne an die Schule zurückkehrten, um zu erzählen, was aus ihrem Leben geworden ist.

Geduld ist gefragt

Außerhalb der Schule lernte ich aber: Geduld ist gefragt. Der Einzug mitten im heißen August, zur Hauptferienzeit der Italiener, bedeutete erst einmal zunächst in eine fast leere Stadt zu kommen. Gut, um sich Dinge anzuschauen, schlecht wenn es darum geht, administrative Dinge zu erledigen, da die Behörden geschlossen haben. Mit etwas Gelassenheit gelang es aber dann doch, die grundsätzlichen behördlichen Schritte erfolgreich zu einem Ende zu bringen, die man benötigt, wenn man seinen Wohnsitz in Deutschland, in diesem Fall Hamburg, aufgibt – und sich vornimmt sich mit Haut und Haaren dem Auslandsschuldienst zu verschreiben.

Bilder aus Rom

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Schülerinnen und Schüler informieren sich über Studienmöglichkeiten Hochschulmesse an der Deutschen Schule Rom Quelle: Deutsche Schule Rom

Unabhängig von dem, was in diversen "Reisebüchern" steht, meist geschrieben von Auslandskolumnisten, die sich als unterhaltsame Ratgeber versuchen, sei jedem ans Herz gelegt, in den ersten Tagen im fremden Land seine eigenen Erfahrungen zu machen. Es gibt keine Blaupause für die Arbeit im Ausland. Was mir leicht fiel, war für andere eine Belastung und umgekehrt. Dies gilt besonders für das Erlernen der Landessprache. Ich denke, jede Auslandsdienstlehrkraft, die an eine Schule geht, an der viele Schülerinnen und Schüler eingeschrieben sind, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, sei ans Herz gelegt, die Landessprache zu lernen. Klar, die meisten Menschen in Industrienationen sprechen Englisch, insbesondere das Klientel an Auslandsschulen. Was mir aber in acht Jahren meiner Gespräche mit italienischen Ortslehrkräften, italienischen Eltern und außerschulischen Lernpartnern klar wurde: das Erlernen der Sprache ist eine Notwendigkeit, eine Frage des Respekts und, viel wichtiger, die beste Möglichkeit Schwierigkeiten und Probleme schnell zu lösen und Dinge umzusetzen. So schwierig das Erlernen einer Fremdsprache oft ist, gerade am Anfang der Zeit im Ausland, so befriedigend und arbeitserleichternd ist es später.

Herausforderungen annehmen und sich Freiräume schaffen

Zudem empfehle ich, sich Freiräume zu schaffen. In Rom hieß das, die Stadt zu erleben, in die italienische Kultur einzutauchen, die Zeit im Ausland zu genießen. Arbeit im Ausland ist zeitintensiv und herausfordernd -  aber eben auch einmalig und mit diesem Bewusstsein sollte man jeden Tag angehen. 

Nach drei Jahren wurde ich zum Leiter der Oberstufe und verlängerte meinen Vertrag schließlich auf das Maximum von acht Jahren. In dieser Zeit war ich gemeinsam mit meinem neuen Schulleiter, Herrn Harth, zuständig für die Koordination des Regionalabiturs, was ebenfalls eine interessante Besonderheit des Auslandsschuldienstes ist.

Natürlich waren die Jahre durchaus herausfordernd. Damit meine ich weniger persönliches Heimweh als eher die konstanten Neuerungen, die auf unsere Arbeit einwirkten und bewältigt werden mussten. Die Einführung des Auslandsschulgesetzes, das mich acht Jahre begleitende Narrativ der italienischen Wirtschaftskrise und seinen Einfluss auf die Anmeldezahlen, die Reduzierung der Schuljahre von neun auf acht Jahre, die Konkurrenz durch neue DSD-Schulen vor Ort etc. und abschließend die Coronakrise, die ganz andere, neuere Herangehensweisen verlangte - Schulschließung infolge des langen "Lockdowns", Unterricht von zuhause aus, Abiturprüfungen mit Maskenpflicht. Auch hier war es beeindruckend zu erleben, welche Möglichkeiten eine gut aufgestellte und vorbildlich durch Schulleitung und -träger geleitete Auslandsschule bietet. So wurde Unterricht über "Moodle" ermöglicht, Tablets zur Verfügung gestellt und Unterricht via Videokonferenz etablierte sich bald für alle, begleitet durch ein Tutorenteam aus deutschen und italienischen Lehrkräften, den so genannten "Digi-Tutoren". Hier zeigte sich, welche Möglichkeiten eine Auslandsschule im Vergleich zu staatlichen Schulen in Deutschland mit Blick auf die Anpassungsgeschwindigkeit bietet. Für alle am Schulleben Beteiligten war dies Neuland, doch es wurde erfolgreich betreten. Es gab am Ende eine (wenn auch etwas andere) Abiturfeier, Zeugnisausgabe (auf dem Schulparkplatz) mit doch weitgehend zufriedenen Gesichtern.

Am Ende wurde ich gefragt, ob ich nach dem langen "Lockdown" aufgrund der Coronakrise froh sei, wieder nach Deutschland zurückzukehren. Sicherlich nicht. Klar, acht Jahre sind eine lange Zeit und die italienischer Kultur nicht immer einfach - aber Rom zu verlassen? Das ist noch jedem schwergefallen.

Bernd Evers

Bernd Evers war acht Jahre lang, von August 2012 bis August 2020, als Auslandsdienstlehrkraft an der Deutschen Schule Rom. Er unterrichtete Englisch, Geschichte und Gemeinschaftskunde und übernahm die Leitung der Sekundarstufe 2 sowie die Studien- und Berufsorientierung.

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Stand 05.11.2020