Neue Ziele und Perspektiven in Doha

Ich habe mich schon als noch sehr junge Frau für den Auslandsschuldienst interessiert, aber nie konkrete Schritte unternommen. Nach dem frühen Tod meines Ehemannes brauchte ich neue Ziele und Perspektiven, es hatte sich ja alles verändert und das Umfeld passte nicht mehr. Ich sagte mir: "Was soll mir schon noch passieren? Das schaffe ich auch!" Also bewarb ich mich als Auslandsdienstlehrkraft und erhielt ein Angebot aus Doha, das ich annahm. Meine Erwartungen an einen neuen, aufregenden und herausfordernden Alltag haben sich mehr als erfüllt.

Ich reiste mit unserem Sohn Till aus, damals elf Jahre alt. Er wollte überhaupt nicht weg und vermisste Deutschland anfangs sehr. Wir lebten uns schnell ein, weil alles sehr gut vorbereitet war. Ich war bereits vor Dienstantritt zweimal in Doha und ich werde nie vergessen, wie die Assistentin der Schulleitung auf dem Parkplatz auf mich zukam und uns spontan zu sich nach Hause einlud. Als ich sie fragte, warum sie das tut, sagte sie: "Das ist Auslandsschuldienst. Wir sitzen alle in einem Boot." Schwierig war der Umgang mit Behörden in Deutschland, Kleinigkeiten, wie Bankgeschäfte, Steuern, Rechnungen. Vieles hat nicht auf Anhieb geklappt und da ich in Deutschland ein Eigenheim habe, war es manchmal schwierig, aus der Ferne etwas zu händeln. Letztlich haben wir das alles irgendwie geschafft.

Till geht inzwischen in die 8. Klasse der Deutschen Internationalen Schule Doha. Bis zum Ausbruch der Pandemie war er gut versorgt durch Mittagstisch und Ganztagsschule. Inzwischen ist es schwierig, weil er die homeschooling- und blended-learning-Zeiten oft allein bewältigen muss. Mittagessen bringt dann der Lieferservice oder Mama kocht vor. Sport- und Trainingsangebote fallen noch aus, die Pandemie hat Doha nach wie vor fest im Griff.

Ein typischer Arbeitstag

Ich hole meinen im selben Compound wohnenden Kollegen mit dem Auto ab und wir fahren zur Schule, die wir 7 Uhr betreten. Till kommt später im Taxi nach. Ich gehe in mein Büro, checke den Vertretungsbedarf und begrüße die schon Anwesenden, hänge den Vertretungsplan aus. Danach habe ich meistens selbst Unterricht, als stellvertretende Schulleiterin 23 Stunden in der Woche. Zwischendurch führe ich Eltern- und Mitarbeitergespräche und tausche meine Gedanken auch regelmäßig mit Vorstandsmitgliedern aus, bereite Unterricht vor oder korrigiere Schülerarbeiten. In der Mittagspause drehe ich eine Runde übers Außengelände, begrüße Kolleginnen, Kollegen, Schülerinnen und Schüler, kläre die eine oder andere Sache kurz ab. Nach 14.35 Uhr kehre ich an den Schreibtisch zurück, um konzeptionell zu arbeiten, Mails zu beantworten. Gegen 16 Uhr lassen wir den Arbeitstag im Schulleiterdienstzimmer ausklingen, tauschen uns aus, bereiten vor, was am nächsten Tag ansteht. Gegen 17 Uhr verlasse ich die Schule, das geht so von Sonntag bis Donnerstag.

Überrascht hat mich dann doch die Intensität der Elternkontakte. Ich hatte mir so viel Arbeit und solch eine Verantwortung nicht vorstellen können, gerade jetzt während der Pandemie. Ich war nie vorher auch in dieser Heftigkeit mit Eltern konfrontiert, die schulische Maßnahmen hinterfragen. Ich war auch nie zuvor an einer Privatschule tätig. Die Deutsche Internationale Schule Doha unterscheidet sich in fast allem zur Inlandsschule, vor allem im Grad der Professionalisierung, die ich so an Inlandsschulen bisher nicht erlebte. Qualitätsmanagement, Übergabemanagement, Umgang mit kultureller und sprachlicher Vielfalt, Unterstützung für neu einreisende Kinder, kollegiale Hospitationen, Mitarbeiterentwicklungsgespräche, Schulprogrammarbeit, Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen, Feedbackkultur… das war alles etabliert, da gab es Konzepte und alle sind beteiligt, etwas, worum an vielen Schulen im Inland immer noch gerungen wird.

Das Leben vor Ort

Über den Alltag vor Ort sollte man wissen, dass es immer warm und meistens sehr heiß ist, selten regnet, es keinen Wald, wenig Grün gibt. Katar ist ein muslimisches Emirat, womit klar ist, dass es gilt, weitgehend auf Alkohol und Schweinefleisch zu verzichten und die Religiosität im Alltag hinzunehmen. Sie spielt eine tragende Rolle. Man sollte eine gute körperliche Konstitution, Geduld, Humor und ein stabiles Gefühlsleben haben. Es lohnt sich, die Schönheiten des Landes entdecken zu wollen, die Wüste ist ein Erlebnis.

Bilder aus Doha

Bild / Video 4 von 5

Stadtspaziergang Quelle: Diana Guthmann

Besondere Erlebnisse

Berührt hat mich schon Vieles, auch überrascht und beeindruckt. Was wählt man da aus? Als es uns im Lockdown gelang, das Essen zum Fastenbrechen am Ende des Ramadan als Schulgemeinschaft am Bildschirm zu zelebrieren, war es schon sehr besonders. Jeder saß zu Hause, aber alle aßen gemeinsam. Jeder spürte, das bringt uns zusammen.

Und als ich zum 30. Jahrestag der Öffnung der innerdeutschen Grenze mit meiner DDR-Herkunft während der Feierstunde die Festansprache hielt und sicher eigene Akzente setzte, dachte ich: "Wow, das hast du aus deinen Chancen von 1989 gemacht." So erlebt man das nur im Ausland. Ebenso die Hilfsbereitschaft durch Kolleginnen, Kollegen, Eltern. Da ist oft mehr Sensibilität da, als ich es aus Deutschland kenne.

Diana Guthmann

Diana Guthmann unterrichtet seit dem Jahr 2018 die Fächer Deutsch/ DaF, Ethik und Geschichte an der Deutschen Internationalen Schule Doha. Sie ist zudem stellvertretende Schulleiterin.

Seitenfunktionen

Stand 23.11.2020