Unterrichten an einer der modernsten Deutschen Auslandsschulen weltweit

Die Idee, eines Tages an einer Deutschen Auslandsschule zu arbeiten, entstand in meinem Fall bereits im Studium. Zwei privat organisierte Praktika an Deutschen Auslandsschulen in Südostasien haben mir gezeigt, dass dies genau die Arbeit ist, die ich mir für meine Zukunft einmal vorstelle. Und so führte mich mein Weg an die Deutsche Schule Shanghai Yangpu.

Nach dem Referendariat in Baden-Württemberg galt es jedoch erst einmal Berufserfahrung zu sammeln, um mich für den Auslandsschuldienst entsprechend zu qualifizieren. Durch den Besuch einer Fortbildungsreihe zur Qualifizierung zukünftiger Führungskräfte konnte ich in Deutschland bereits erste Einblicke in die Schulorganisation, Schulverwaltung und Schulentwicklung bekommen. 2018 fiel dann familienintern die Entscheidung, den Schritt zu wagen, mich für den Auslandsschuldienst zu bewerben. 

Ein Kollege meiner ehemaligen Inlandsschule konnte mir viel von den verschiedenen Möglichkeiten berichten, denn er kehrte gerade von einer mehrjährigen Tätigkeit als Auslandsdienstlehrkraft (ADLK) in Südamerika zurück. So fiel dann auch die Entscheidung, mich als Bewerber in die Online-Datenbank der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) aufnehmen zu lassen. Es folgten mehrere Angebote aus Südamerika, zudem bewarb ich mich parallel initiativ an Auslandsschulen in Asien, da wir hier auch familiär verwurzelt sind und die Option, in der Nähe der Familie meiner Ehefrau zu leben, besonders attraktiv erschien.

Schließlich ergab sich kurzfristig ein Bewerbungsgespräch in München mit dem Schulleiter der Deutschen Schule Shanghai Pudong welches sehr gut verlief. Die Aussicht, in Kürze in einer der modernsten Deutschen Auslandsschulen der Welt (nach dem in Kürze anstehenden Umzug in den Neubau in Yangpu) zu arbeiten und diese aktiv mitzugestalten, veranlassten mich in Absprache mit meiner Familie, den Schritt zu wagen. Die folgenden Monate erwiesen sich als aufregend und arbeitsintensiv, doch wir wurden von Tag eins von Seiten der Schule enorm unterstützt und mit allen Informationen versorgt, um den gesamten Visumsprozess bis zur Ausreise möglichst einfach zu gestalten. Da wir uns für China entschieden hatten, war klar, dass der Prozess recht komplex sein würde, denn alle Unterlagen mussten mehrfach beglaubigt und von chinesischer Seite legalisiert werden. Insgesamt hatten wir jedoch keinerlei Probleme und alle Unterlagen waren rechtzeitig fertiggestellt, sodass wir Anfang August nach Shanghai ausreisen konnten. Selbst die Mitnahme unserer Hunde verlief nach intensiver Vorbereitung problemlos.

Ankunft in Shanghai: gelebte Willkommenskultur

Wir wurden herzlich empfangen und waren sofort in alle Prozesse und Aktivitäten vor Ort eingebunden. Das von der Schule organisierte Serviced Apartment entsprach einem hohen Standard, sodass wir uns ein wenig akklimatisieren konnten, bevor es für mich zwei Tage später direkt mit einer ganztägigen Fortbildung losging. In der Folgewoche fand die Einführungswoche für die neuen Kolleginnen und Kollegen statt, die sehr informativ und gleichzeitig auch sehr intensiv war. Vom Mittagessen bis zu gemeinsamen Abendaktivitäten (z.B. der Besuch einer Skybar) war alles perfekt organisiert. Ich hatte das Gefühl, dass man sich wirklich auf uns Neue freute und man alles tat, um uns den Einstieg so einfach wie möglich zu machen. Auch meine Frau und mein Sohn wurden herzlich von der Deutschen Schule und der Schulgemeinschaft empfangen. Die Willkommenskultur, von der man uns im Bewerbungsprozess berichtete, wurde und wird hier tatsächlich gelebt, was uns allen von Beginn an ein gutes Gefühl gab.

Als ADLK hatte ich die Aufgabe, den Vertretungsplan zu betreuen, was bereits in Deutschland einer meiner Aufgabenbereiche war. Diese Tätigkeit ermöglichte mir, die neue Schule in allen Facetten schnell kennenzulernen und ließ mich erkennen, dass das Arbeiten hier in Shanghai mit dem in Deutschland in vielen Bereichen wenig zu tun hatte. Mir war schon vor der Ausreise bewusst, dass es neben dem Unterricht viel Schulleben geben würde, die Masse an Veranstaltungen und Aktivitäten der Schulgemeinschaft hat mich in den ersten Wochen jedoch überwältigt. Der Zusammenhalt dieser Gemeinschaft war für mich eine neue Erfahrung, die ich nicht missen möchte.

Bilder aus Shanghai

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Deutsche Schule Shanghai Yangpu - Schulhof und Sportplatz Quelle: Deutsche Schule Shanghai Yangpu

Wenige Monate nach unserer Ankunft in Shanghai konnte dann der Neubau in Yangpu bezogen werden. Nun hieß es neben dem Unterricht und den sonstigen Aufgaben und Aktivitäten die gesamte Schule in Kartons zu verpacken, um nach den Weihnachtsferien im neuen Schulgebäude starten zu können. Mit allen Mitarbeitenden schafften wir dies in zwei intensiven Tagen. Nach den Weihnachtsferien wurde dann die neue Schule in Yangpu wiederum eingerichtet. Nach einer sehr kurzen Zeit musste die Schule dann Corona-bedingt für mehrere Monate geschlossen werden, und der Präsenzunterricht fand ab dem ersten Tag der behördlich angeordneten Schulschließung online statt. All dies war nur zu schaffen, da man als Team erfolgreich funktionierte.

Chancen zur Weiterentwicklung

Bereits in meinem ersten Jahr schenkte mir die Schulleitung viel Vertrauen und gab mir entsprechend Rückmeldung zu meiner Arbeit. Ich engagierte mich als Klassenlehrer der 10. Klasse und arbeitete in der neu gegründeten Projektgruppe zur Erstellung eines Medienbildungskonzeptes aktiv mit. Dies ermöglichte mir schließlich, mich auf eine Leitungsfunktion innerhalb der erweiterten Schulleitung zu bewerben. Seit Beginn des Schuljahres 2020/21 arbeite ich nun als Koordinator der Sekundarstufe I und kann das Schulleben und vor allem die Schulentwicklung mehr denn je aktiv mitgestalten. Nach einem Jahr an der Deutschen Schule Shanghai Yangpu kann ich sagen, dass durch die hohe Dynamik und Fluktuation innerhalb des Kollegiums an einer Auslandsschule immer wieder Chancen geboten werden, sich beruflich weiterzuentwickeln. Zeigt man Engagement und Willen, sich zu engagieren und Verantwortung zu übernehmen, wird man mit einer recht hohen Wahrscheinlichkeit im Vergleich zu innerdeutschen Schulen die Möglichkeit bekommen, eine Sonderaufgabe zu übernehmen und auf der Karriereleiter eine Stufe nach oben zu steigen. Meine Lernkurve ist insgesamt sehr steil und die Arbeitsintensität aus meiner Sicht deutlich höher als das, was man aus dem Inland kennt.

Auf unterrichtlicher Ebene gibt es auch deutliche Unterschiede zu dem, was ich aus Deutschland kenne. Zwar ändern sich die Inhalte, die den Schülerinnen und Schülern vermittelt werden, nicht, dennoch ist die Art und Weise des Unterrichtens eine ganz andere. Dies liegt zumindest an unserer Schule an verhältnismäßig kleinen Lerngruppen (im Schnitt ca. 15 Schülerinnen und Schüler). Binnendifferenzierung und personalisiertes Lernen spielen hier eine deutlich größere Rolle. Selbst Außendifferenzierung in Form unterschiedlicher Englischkurse findet bei uns tagtäglich statt. Das Fördern und Fordern der einzelnen Schülerinnen und Schüler ist auf diese Art und Weise viel effektiver. Ebenso spielt die Digitalisierung im Unterricht eine zentrale Rolle, was von einem Lehrer/einer Lehrerin auch voraussetzt, sich auf diesem Gebiet zum einen ein wenig auszukennen bzw. bereit zu sein, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Nur so konnte auch die Zeit der Schulschließung erfolgreich gestaltet werden.

Kleine Weltbürger

Ein weiterer Aspekt, den man nicht unterschätzen darf, ist die Klientel, die man an einer privaten Auslandsschule bedient. Dies ist keinesfalls negativ gemeint, man muss sich dessen jedoch bewusst sein. Die Schülerinnen und Schüler stammen vorwiegend aus Familien mit universitärem Background, in denen Bildung eine entscheidende Rolle spielt. Als Lehrer muss man demnach damit rechnen, dass die adäquate Wissensvermittlung aktiv eingefordert wird und man mit den Eltern in einem engen Kontakt steht. Hinzu kommt der Aspekt der Interkulturalität und kulturellen Identifikation. Viele Schülerinnen und Schüler tragen zwei Nationen in sich, leben schon seit vielen Jahren im Ausland oder haben sogar noch nie eine Schule im innerdeutschen Schulsystem besucht. Man kommt also als Lehrer häufig mit kleinen Weltbürgern in Berührung, deren Erfahrungen einen immer wieder überraschen.

Was die Entwicklung unseres Sohnes betrifft, der nun auch im zweiten Jahr die Deutsche Schule Shanghai Yangpu besucht, können wir als Eltern nur glücklich sein, diesen Schritt gewagt zu haben. Das internationale Umfeld, die Mitschüler und Unterrichtsqualität haben sich sehr positiv auf seine Entwicklung ausgewirkt. Seine schulischen Leistungen haben sich merklich verbessert und er fühlt sich sehr wohl hier in Shanghai, sodass er hier auch sein Abitur erwerben möchte, bevor wir dann nach Deutschland zurückkehren werden.

Julian Müller

Julian Müller unterrichtet seit August 2019 Deutsch und Englisch als Auslandsdienstlehrkraft an der Deutschen Schule Shanghai Yangpu. Im Schuljahr 2020/21 übernahm er die Koordination der Sekundarstufe I.

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Stand 18.11.2020