"Moin moin, liebe Klasse - Moin moin Herr Volpert."

So beginnt jede meiner Mathematikstunden in La Herradura, Mexiko-Stadt. Ein Stück nordisches Kulturgut, das ich gerne vermittele.

2016 bin ich mit meiner Familie, meiner Frau und meinen drei Kindern, von Hamburg nach Mexiko-Stadt gegangen. Eine Entscheidung, die in der Planung Höhen und Tiefen erlebt, aber nie bereut wurde. Die Reaktionen, als wir im Freundes- und Kollegenkreis verkündeten, wir gehen nach Mexiko-Stadt, reichten von: "Beneidenswert! So ein schönes Land" bis hin zu: "Da lasst ihr euch ja auf ein gefährliches Abenteuer ein. Habt ihr euch das gut überlegt?" Sicher hatten wir es uns gut überlegt. Man geht nicht mit drei Kindern eben mal 10.000 Kilometer von zu Hause entfernt in ein Land, dessen Sprache keiner von uns zu der Zeit beherrschte und dessen Ruf nicht immer der beste in Deutschland ist.

Kuscheltiere, Legoboxen und Fotos

Unser Plan, dem Land eine berechtigte Chance zu geben, ist vom ersten Tag an aufgegangen. Wir gingen ohne einen Container, fünf Personen, sechs Koffer. Nimm mit, was dir wichtig ist. Denk daran, warme Sachen könnten helfen. Das war die Parole. So wurden Kuscheltiere, Legoboxen und Fotos zu Daunendecken und Jeanshosen gepackt.

Freundliche Vermieter, hilfsbereite Nachbarn und Unterstützung aus der Schule haben den Einstieg leicht gemacht. Sicher, Mexiko hat Schattenseiten. Kriminalität und Korruption sind Begriffe, mit denen man sich auseinandersetzen muss. Das Sicherheitstraining der ZfA ist dafür eine gute Basis. Als noch viel wichtiger haben wir den Austausch im Vorfeld und vor Ort mit deutschen Familien, Kolleginnen und Kollegen und nicht zuletzt mit Mexikanerinnen und Mexikanern erlebt. Es hilft, eine eigene Haltung gegenüber der Sicherheitslage und dramatisch klingenden Presseartikeln zu entwickeln. Nach vier Jahren sagen wir überzeugt, wir führen ein ganz normales Leben. Es gibt Situationen und Orte, die vermeiden wir. Herzliche Menschen, atemberaubende Ferienorte und vielfältiges Essen kompensieren mögliche Einschränkungen.

Das erste Jahr war geprägt von Hausstandbesorgungen. Vom Bett über den Kaffeefilter bis hin zur Daunenweste wurde alles auf Märkten und in Einkaufzentren gekauft. Schnell fühlten wir uns heimisch. Wir begannen Sprachkurse und bauten Netzwerke auf. Die Kinder haben in der Schule ihre Spracherfahrungen gemacht. Deutsch, Spanisch, Englisch und auch das eine oder andere Humboldtdeutsch wehte ihnen entgegen. Mittlerweile sprechen und verstehen sie die spanische Sprache deutlich besser als ihre Eltern. Und nicht selten werden sie bei Polizeikontrollen und Arztbesuchen als Übersetzer genutzt.

Meine größte Herausforderung: die Sprache

Die Sprache war auch meine größte Herausforderung, die mich dazu brachte, meinen Mathematikunterricht anzupassen. Meine Schlüsselsituation, mich mit DFU zu beschäftigen, war der Satz des Pythagoras. Dachte ich bis dahin, Mathematik sei universal, musste ich schnell feststellten, dass Begriffe wie: Giebelwand und Dachrinne eine klassische Sachaufgabe zum Scheitern bringen. Die besondere Dachform gehörte nicht zum Wortschatz eines Neuntklässlers und Regenabläufe sind in Mexiko weitestgehend unbekannt. Hier wird das viele Wasser der Regenzeit direkt von den Dächern in den Boden geleitet. Es hieß: Ärmel hoch, Arbeitsblätter anpassen, Spracharbeit in den Unterricht einbauen.

Bilder aus Mexiko

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Familienausflug in Michoacan Quelle: Sven Volpert

Der Unterricht ist noch immer der für mich wichtigste und bereicherndste Teil meines Auslandseinsatzes. Zu Beginn der Pandemie hätte ich mir nie vorstellen können, 100 Prozent Online-Unterricht zu gestalten. Und das über Monate. Auch das geht.

Eingefahrenes Denken neu gestalten

Das andere Standbein, meine Aufgaben als stellvertretender Schulleiter, gibt mir die Möglichkeit, mich in Bereichen der Schul- und Personalentwicklung einer Deutschen Auslandsschule zu engagieren. Zweisprachige Konferenzen, Bewerbungsgespräche ausschließlich über Video und Fortbildungen, für die man fliegen muss, waren für mich neu. Sie entpuppten sich als positive Herausforderungen, die einem die Möglichkeit geben, eingefahrenes Arbeiten neu zu gestalten.

Wenn für mich und die Familie der Tag der Rückkehr nach Deutschland kommt, hoffe ich sehr, dass für die mexikanischen Kinder mehr als nur die Hamburger Begrüßung bleibt.

Für uns bleibt auf jeden Fall ein: "Hasta pronto, México."

Sven Volpert

Sven Volpert unterrichtet seit dem Jahr 2016 als Auslandsdienstlehrkraft Mathematik an der Deutschen Schule Alexander von Humboldt in Mexiko Stadt, Standort La Herradura. Er ist zudem stellvertretender Schulleiter.

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Stand 02.12.2020