Intensive Zeit der Begegnung mit uns selbst und anderen

Seit 2019 arbeite ich als Oberstufenkoordinatorin an der Deutschen Schule Bilbao mit den Fächern Deutsch und Geschichte. Besonders wichtig sind mir dabei die Kooperation mit den Ortslehrkräften und ein sehr schülerorientierter Unterricht.

Bilbao liegt als Oberzentrum des Baskenlandes landschaftlich ambivalent am Atlantik, beeindruckt wirtschaftlich und kulturell nicht nur mit dem Guggenheim-Museum und trägt ein historisch-politisches Erbe, das vor allem in der ganz eigenen besonderen Sprache "Euskera" (Baskisch) deutlich wird. 

Bilder aus Bilbao

Bild / Video 1 von 4

Schulgebäude in Bilbao Deutsche Schule Bilbao Quelle: Deutsche Schule Bilbao

Obwohl die Maßnahmen zur Bewältigung der Pandemie tiefe Einschnitte im soziokulturellen Leben bedeuten, ist "unsere" Bar im barrio (Viertel) wieder gut besucht und auch wir werden fröhlich begrüßt bei Café con leche. Als "die Deutsche" erkennt man mich mittlerweile im kirolak (Sportzentrum für jedermann) und freut sich über meine zunehmenden Sprachkenntnisse.

Was mich beeindruckt ist die familiäre Verbundenheit "der Spanier", wenngleich diese auch ein Ergebnis der ökonomischen Notwendigkeiten zu sein scheint. Was in Deutschland als "Helikopter-Eltern" verpönt und "Hotel Mama"-Kinder stigmatisiert wird, ist hier Teil der kulturellen Identität und insbesondere in der Schule spürbar. Ganze Schülergenerationen einer Familie besuchen die Deutsche Schule und nehmen sie zum Ausgangspunkt der eigenen erfolgreichen Entwicklung, zu der auch mindestens ein Jahr Studienaufenthalt in Deutschland gehört.

Eine Herausforderung ist es, Deutsch auf B2-C2 Niveau zu unterrichten, ohne zu vergessen, dass es immer noch Fremdsprachler sind, die das Abitur anstreben und die Reduktion von Inhalten, das Einführen von Vokabeln und das Üben der Grammatik notwendiger Unterrichtsbestandteil bis Klasse 12 ist.

Meine persönliche Weiterentwicklung verorte ich in der Übernahme der Funktionsstelle der Oberstufenkoordination, die sicherlich eine erhöhte Verantwortung bedeutet. Die Zusammenarbeit mit Deutschland empfinde ich dabei als sehr unterstützend und Orientierung gebend. Gleichwohl begegnet mir dabei auch die Frage nach der Vergleichbarkeit des Deutschen Internationalen Abiturs (DIA) mit dem Inlandsabitur und ich kann dazu nur sagen, dass die Regelungen denen meines (Heimat-) Bundeslandes ähneln und ich sehr beeindruckt bin von 17-jährigen, die in einer Fremdsprache das Abitur erwerben und ganz nebenbei auch Englisch und Französisch sowie Baskisch sprechen.

Insgesamt war es die richtige Entscheidung mit meiner Familie ins Ausland zu gehen, weil es für uns eine sehr intensive Zeit der Begegnung mit uns selbst und anderen darstellt. Die Perspektive auf Deutschland und Europa wandelt sich und wir sind achtsam für die Errungenschaften der Demokratie und Freiheit, die uns bisher so selbstverständlich gewesen sind.

Ulrike Friese

Ulrike Friese ist seit dem Jahr 2019 als Auslandsdienstlehrkraft an der Deutschen Schule Bilbao. Sie unterrichtet Deutsch und Geschichte in der Sekundarstufe I und II und ist Oberstufenkoordinatorin.

Seitenfunktionen

Stand 03.11.2020