Intensiv, lehrreich und inspirierend

Wann wird eine Idee geboren? Im vorliegenden Fall anscheinend frühzeitig. Beide Eltern Lehrer, entsprechend die eigene Kindergarten- und Grundschulzeit an einer Deutschen Auslandsschule - Deutsche Schule Thessaloniki - verbracht, stets viel gereist und selbstverständlich einen Teil des Studiums im Ausland zugebracht. Es war wohl nur eine Frage der Zeit - und des passenden Einsatzortes - bis sich der Auslandsaufenthalt verwirklichen sollte, in Accra, Ghana.

Nachdem frühere Kontakte zu anderen Auslandsschulen aus verschiedensten Gründen nie fruchtbar waren, lässt sich rückblickend bilanzieren: Man kann manche Dinge wohl tatsächlich nicht erzwingen. Also gegebenenfalls abwarten und dann im richtigen Moment offen und entscheidungsfreudig sein. Zumindest für meine Partnerin und mich war dieser Weg das Beste was passieren konnte.

Im Jahr 2015 erhielten wir schließlich ein Angebot der German Swiss International School Accra, die wir bereits während einer privaten Reise kennengelernt hatten. Die Erwartungen an den zusammenhängenden Perspektivwechsel - sowohl in Bezug auf schulische Arbeit, als auch auf das Leben in einem anderen Kulturkreis - sowie die daraus entstehenden Chancen den persönlichen Horizont zu erweitern waren hoch und wurden von der Realität deutlich übertroffen.

Bilinguale Ganztagsschule mit internationalem Flair

Die German Swiss International School Accra ist eine bilinguale Ganztagsschule mit jahrgangsübergreifendem Unterricht. Die Schule ist eine Institution im internationalen Ambiente der Stadt und blickt auf eine über 50 Jahre alte Tradition zurück. Der englische und deutsche Zweig der Schule, ergänzt durch einheimische und abgerundet mit zahlreichen anderen Nationalitäten und Sprachen, sorgt für eine faszinierende Mischung und internationalen Flair.

Dabei werden die Klassen jahrgangsübergreifend nach dem Konzept "one-face-one-language" unterrichtet, das heißt die Klassen werden lediglich in den Hauptfächern in deren deutschen und englischen Zweig geteilt und der Unterricht erfolgt in der Muttersprache. In allen anderen Fächern sind die Kinder einer Klasse zusammen und die Unterrichtssprache richtet sich nach der unterrichtenden Lehrkraft. Ein bewährtes System mit dem großen Vorteil, dass die Kinder die jeweilige Fremdsprache sehr schnell erlernen, da sie konsequent damit konfrontiert sind.

Bilder aus Ghana

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Gruppenbild der Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Klassenfahrt unter einem Felsen Auf Klassenfahrt: Ausflug in die Natur Quelle: Jörn Hoffmann

In den zurückliegenden fünf Schuljahren als Bundesprogrammlehrkraft (BPLK) habe ich zahlreiche Aufgaben kennengelernt und übernommen, war zum Beispiel Fachbereichsleiter DaF/DaZ, DFU ebenso wie Sport, habe am Stundenplan mitgearbeitet, Aufgaben als Lehrervertreter im Schulvorstand sowie die Koordination der Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern übernommen. Ergänzt durch die standardisierten Aufgaben als Klassenlehrer kann man erahnen, wieviel Zeit an der Schule verbracht wurde. Weitere Höhepunkte waren die Schulinspektion sowie deren Bilanzbesuch, die jährlichen Sponsorenläufe für die NGO Chance for children (ein Partner der Schule), die regelmäßige Teilnahme am Accra Marathon mit den Schülerinnen und Schülern oder zwei Besuche bei den "Olympischen Spielen der Deutschen Schulen im südlichen Afrika". Arbeitsintensive aber auch beeindruckende Meilensteine der letzten Jahre.

Prinzipiell hat die kleine Schulgemeinde der GSIS Accra nahezu alle Aufgaben übernommen und erfüllt, die jede deutsche Regelschule ebenfalls übernimmt. Allerdings verteilen sich diese Aufgaben auf lediglich eine Handvoll Kolleginnen und Kollegen und dadurch entsteht eine gewisse Dichte an Aufgaben und Aufträgen. Nur durch ein überaus engagiertes und teamfähiges Kollegium konnte der hohe Standard der Schule von Jahr zu Jahr gehalten und bestätigt werden. Dieser Grad an Zusammenhalt und Zusammenarbeit haben für mich neue Maßstäbe gesetzt.

Eindrücke vom Einsatzort

Vorweg sei gesagt, dass Ghana als "Westafrika für Einsteiger" gilt. Eines der Vorzeigeländer der Region, manche Stimmen sagen, vom ganzen Kontinent. Dabei sei der Initialfehler vermieden, von Ghana als „Afrika“ zu sprechen. Immerhin beinhaltet der Begriff Afrika einen Kontinent mit weit über eine Milliarde Einwohnern und mehr als 50 Ländern, eine gleichgesetzte Pauschalisierung des Begriffs „Europa“ kann sich jeder Leser bitte grafisch vor dem inneren Auge vorstellen.

Nach knapp fünf Jahren in Accra können wir nur bestätigen, dass es sich in der ghanaischen Hauptstadt problemlos und angenehm leben lässt. Speziell wenn man Ghana mit den umliegenden, westafrikanischen Ländern und deren Großstädten vergleicht, ist Accra eine vibrierende Fünf-Millionen-Metropole mit allen Vor- und Nachteilen, die für diese Region des Kontinents typisch sind. Leben und Alltag der Einheimischen sind laut, bunt, hektisch, extrovertiert und an Offenheit und Freundlichkeit weltweit wohl nicht zu überbieten.

Für die Lebensqualität hat man die Wahl zwischen Restaurants und Supermärkten mit nahezu westlichem Standard, allerdings auch zum westlichen Preis und damit für das Gros der Einheimischen unbezahlbar. Lokale Produkte auf Märkten und an Straßenständen kosten natürlich nur einen Bruchteil und besonders Obst und Fisch sind hervorragend. Zum Glück ist - bei intrinsischer Motivation - hier ein Leben zwischen den Welten durchaus möglich. Die Wohnsituation ist ähnlich zu betrachten, in der Innenstadt sind die Mietpreise - besonders wenn man kontinuierlich Strom und Wasser möchte - ähnlich dem europäischen Niveau und damit abermals für die deutliche Mehrheit der Einheimischen unerschwinglich. Wir selber lebten ca. 20 Minuten Fahrt zur Schule ohne - 45 Minuten mit - Stau, zu einem für unsereins fairen Preis. Die allermeisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schule - ein guter Job für dortige Verhältnisse - müssen außerhalb leben und fahren jeden Tag mindestens zwei Stunden, gerne auch das Doppelte, zur Arbeit und zurück. An diesen Beispielen kann man hoffentlich bereits erahnen wie weit die Schere zwischen Arm und Reich auseinander geht.

Licht und Schatten liegen also nahe zusammen, in der Region gilt Ghana dennoch als Paradebeispiel für ein seit der Unabhängigkeit 1957 friedvolles Land, mit einem beispielhaften Gesundheits- und Bildungssystem sowie einer funktionierenden, von den Einheimischen sehr geschätzten, Demokratie. Dennoch bleibt der Verdacht, dass das vorhandene Potential nicht annähernd ausgenutzt wird. Es fehlen ein Überdenken der geltenden Wertesysteme, eine Reflexion des Bevölkerungswachstums, die Verbesserung der Energieversorgung und vor allem die Schaffung von Einkommensmöglichkeiten. Solange sich an dieser Situation vor Ort nichts ändert, wird das Verlangen auf eine Verbesserung der Lebensumstände weiterhin mehr und mehr Flüchtlinge vom Kontinent zwingen.

Anregungen aufgrund der eigenen Tätigkeit

Die Arbeit in Westafrika bietet eine Fülle an Eindrücken, Impressionen und daraus entstehenden Visionen in- und außerhalb der Schullandschaft an. Innerhalb der Schulgemeinschaft eröffnet sich durch die internationale Schülerschaft und die dadurch hervorgerufene Sprachvielfalt eine vertiefende Arbeit im Bereich Deutsch als Zweitsprache, Deutsch als Fremdsprache oder Deutsch im Fachunterricht. Mit meiner Rückkehr nach Deutschland möchte ich sehr gerne weiter in diesem Bereich arbeiten.

Außerhalb der Schule gibt es in Ghana eine große Zahl an Hilfsorganisationen, die eine hervorragende Arbeit leisten. Mit einigen davon hat die GSIS Accra Kooperationsverträge und diese Zusammenarbeit gilt es weiter zu vertiefen. In diesem Bereich kann von Deutschland aus sehr viel mehr geleistet werden.

Um den Kreis zu schließen, kann man an dieser Stelle abschließend resümieren: Es war eine unglaublich intensive, lehrreiche und inspirierende Zeit. Wir würden es sofort wieder machen. Aber -wie bereits eingangs erwähnt- besser nichts erzwingen, sondern abwarten und dann im richtigen Moment offen und entscheidungsfreudig sein.

 Jörn Hoffmann

Jörn Hoffmann unterrichtete von 2015 bis 2020 als Bundesprogrammlehrkraft hauptsächlich die Fächer Deutsch als Fremdsprache (DaF), Mathe, Erdkunde, Sozialkunde, Geschichte, Ethik und Sport an der German Swiss International School Accra.

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Stand 16.07.2021