Als Lehrer in Südserbien
Da es in Nish keine Deutsche Auslandsschule gibt, reiste ich ohne meine Frau und meine beiden schulpflichtigen Kinder nach Serbien. Die Anreise erfolgte nicht mit dem Auto, sondern mit dem Flugzeug, weil meine Heimatstadt Freiburg nicht weit vom "Euro Airport Basel" entfernt ist. Dies war für mich auch praktischer und wesentlich günstiger, denn zwischen Basel und Nish gibt es regelmäßige und preiswerte Direktflüge.
Als ich in Nish ankam, hatte ich keine genauen Vorstellungen, was mich an meinem neuen Arbeitsplatz in Serbien erwarten würde. Ich wusste aber, dass es am Gymnasium "Stevan Sremac" einen bilingualen Zweig gibt, an dem die Schülerinnen und Schüler nicht nur das Deutsche Sprachdiplom (DSD II) ablegen können, sondern auch mehrere Unterrichtsfächer zweisprachig (auf Serbisch und Deutsch) unterrichtet werden. Deshalb war ich sehr gespannt auf diese neue Herausforderung und freute mich auch darauf, ein neues Land, eine neue Kultur und eine neue Sprache kennenzulernen.
Bei meiner Ankunft am internationalen Flughafen Nish wurde ich von einer Kollegin empfangen, die mich anschließend in meine relativ große, aber preiswerte Wohnung im Stadtzentrum brachte. Ich hatte bereits vorher schon mit meiner Kollegin telefonisch Kontakt aufgenommen und sie gebeten, mir bei der Wohnungssuche zu helfen.
Erste Schritte vor Ort
Am nächsten Tag ging ich in die Schule, wo ich den Schulleiter und meine neuen Kolleginnen und Kollegen kennenlernte. Danach meldete ich meinen Wohnsitz bei der örtlichen Polizeibehörde an. Im ersten Schuljahr musste ich insgesamt fünf- oder sechsmal zur Polizeibehörde gehen, um ein Aufenthalts- und Arbeitsvisum zu erhalten. Denn die bürokratischen Bestimmungen in Serbien sind äußerst komplex und selbst für Einheimische schwer zu durchschauen. Positiv überrascht war ich von meinen Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich relativ schnell Kontakt aufnehmen konnte. Da ich zu Beginn meiner Tätigkeit über keinerlei Kenntnisse der Landessprache (Serbisch) verfügte, lief die Verständigung meistens auf Englisch, manchmal aber auch auf Deutsch.
Ich hatte auch etwas Zeit, mich an die neue Umgebung anzupassen, weil ich in der ersten Woche nur ein paar Stunden unterrichtete. Für mich war es natürlich sehr angenehm, dass sowohl die Schule als auch meine Wohnung im Stadtzentrum lagen. So konnte ich die Schule sehr gut in ungefähr zehn Minuten zu Fuß erreichen. Außerdem gab es in der Nähe auch Geschäfte, Restaurants, Cafes, Banken und ein Postamt.
In der Schule war ich zunächst vor allem damit beschäftigt, zusammen mit einer Kollegin meinen Stundenplan zusammenzustellen. Dies nahm sehr viel Zeit in Anspruch, weil ich nicht nur in verschiedenen Klassen Deutsch als erste oder als zweite Fremdsprache unterrichtete, sondern auch in anderen Fächern (Geschichte, Erdkunde, Literatur, Kunst, Musik und Informatik) im bilingualen Unterricht eingesetzt wurde. Das Programm am Gymnasium "Stevan Sremac" sah vor, dass ca. 30 Prozent des Unterrichts in den bilingualen Fächern in deutscher Sprache erfolgen sollte.
Dies war manchmal jedoch äußerst schwierig zu realisieren, denn manche Nebenfächer wurden nur mit einer Wochenstundenzahl unterrichtet. Aus diesem Grund musste jede Woche ein neuer Stundenplan festgelegt werden. Außerdem musste ich natürlich auch die Themen und Inhalte in den bilingualen Fächern zuvor mit den serbischen Kolleginnen und Kollegen absprechen.
Schulalltag
Eine Besonderheit an der Schule war auch, dass der Unterricht im "Schichtbetrieb" erfolgte; das heißt die Schülerinnen und Schüler hatten immer eine Woche vormittags und eine Woche nachmittags Unterricht. Dies lag daran, dass im selben Gebäude zwei Schulen untergebracht waren. Wenn die Schüler nachmittags Unterricht hatten, mussten Schüler und Lehrkräfte oft bis um 20.30 Uhr in der Schule bleiben. Am Anfang war es für mich sehr schwierig, mich an die unterschiedlichen Unterrichtszeiten zu gewöhnen.
Die Schülerinnen und Schüler standen auch unter einem enormen Leistungsdruck, weil in fast allen Fächern häufig Tests oder Klausuren geschrieben wurden. Es kam sogar öfters vor, dass die Schüler an einem Tag zwei oder drei Tests schrieben.
Für serbische Verhältnisse war die Schule relativ gut ausgestattet. Neben den Klassenräumen gab es eine große Aula für schulische Veranstaltungen und mehrere Computerräume, wobei es jedoch häufig Probleme mit dem Internetanschluss gab. Zum Glück konnte ich aber meistens den "Multi-Media-Raum" benutzen konnte. Das war der einzige Raum in der Schule, der nicht nur mit einem Computer, sondern auch mit einem Beamer und einem elektronischen Whiteboard ausgestattet war.
Für den bilingualen Unterricht war an der Schule leider wenig geeignetes Lehrmaterial vorhanden, das ich verwenden konnte. Deshalb musste ich bei der Vorbereitung meist auf Quellen aus dem Internet zurückgreifen. Manchmal erhielt ich aber auch Informationen von den serbischen Fachlehrern. Dabei konnte ich mein Wissen erheblich erweitern und lernte auch, Dinge wie zum Beispiel historische Ereignisse aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.
Ich war sehr überrascht darüber, dass die deutsche Sprache sowohl an der Schule als auch in der serbischen Gesellschaft allgemein einen hohen Stellenwert genießt. Einige meiner Kolleginnen und Kollegen waren schon beruflich oder privat in Deutschland. Viele Serben haben auch Freunde oder Verwandte in Deutschland, Österreich und der Schweiz oder wollen vielleicht sogar selbst auswandern.
Sprache, Land und Leute
Obwohl ich vor allem im ersten Schuljahr sehr beschäftigt war, hatte ich dennoch Zeit, mir Grundkenntnisse der serbischen Sprache anzueignen sowie Land und Leute kennenzulernen. Sehr guten Kontakt hatte ich zu meinen Nachbarn, die mich öfters zum Essen einluden, sodass ich auch die Gelegenheit hatte, die ausgezeichnete serbische Küche auszuprobieren. In meiner Freizeit unternahm ich auch Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung. Häufig ging ich in den Bergen östlich von Nish wandern. Einmal traf ich dabei einen älteren Serben, der aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Nish stammte, aber schon vor mehr als zwanzig Jahren nach Österreich ausgewandert war. Als wir durch sein altes Heimatdorf gingen, fiel mir auf, dass der Mann fast jede Familie im Dorf kannte, obwohl er schon seit vielen Jahren in Österreich lebt.
Abschließend kann ich sagen, dass der Aufenthalt und meine Tätigkeit in Serbien nicht nur beruflich, sondern auch für mich persönlich eine Bereicherung darstellte. Trotzdem hatte ich natürlich auch oft Heimweh. Aber durch Computer und Handy kann man heutzutage auch über größere Distanzen mit Freunden und Verwandten ständig in Kontakt bleiben. Außerdem hatte ich das Glück, dass ich durch die günstige Flugverbindung zwischen Basel und Nish öfters nach Hause fliegen konnte.
Michael Weiss
Michael Weiss unterrichtete in den Schuljahren 2018/2019 und 2019/2020 als Bundesprogrammlehrkraft (BPLK) an einem Gymnasium in Nish (Südserbien).
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Stand 11.05.2021